Wichtringhausen
Wichtringhausen tritt in den überlieferten Schriftquellen zuerst als Personenname in Erscheinung: In einer wahrscheinlich 1188 ausgestellten Urkunde wird Eilbrach de Wichmereghusen erwähnt, der eine Hufe Land an einem nicht genannten Ort besaß. Erst Anfang des 14. Jhs. werden in dem zwischen 1304 und 1324 aufgestellten Lehnsregister des Mindener Bischofs ein Hof und vier Hufen Land in Wic(h)mering(h)ehusen aufgelistet.
Im Ortsnamen ist –ingehusen als Grundwort leicht zu erkennen, womit Wichtringhausen eher zu den "jüngeren" Siedlungen in unserem Raum gehört. Das dem Grundwort voran- gestellte Bestimmungswort geht auf den altsäch- sischen Personennamen Wîgmâr zurück.
Wichtringhausen lag (nahe) am Helweg, dem mittelalterlichen Fernhandelsweg, der die Städte Westfalens mit Hildesheim und Braunschweig verband und bei Wichtringhausen mit dem Ver- lauf der Bundesstraße 65 (nahe- zu) identisch war. Von ihm aus scheint ein Weg – die heutige Wichmarstraße - immer weiter in die Munzeler Mark verlängert worden zu sein, an dem sich die Hofstellen aufreihten (Reihedorf).
Aus einem oder mehreren dieser Höfe ging das spätere Rittergut hervor. Markant ist das zweigeschossige Herrenhaus, das mit einem breiten Graben umgeben und über drei Brüc- ken zugänglich ist. Der Keller und das Erdgeschoss ist ein Bruchsteinmauerwerk – größ- tenteils unverputzt -, das hohe Obergeschoss dagegen ein Fachwerkbau mit verputzten Ge- fachen. Vermutlich ist das Gebäude bereits im 16. Jh. errichtet worden. Als Fachwerkbau gehört es zu den älteren Herrenhäusern im Calenberger Land (Hannig, S. 26). Anfang des 17. Jhs. sind (erste) Umbauten vorgenommen worden, worauf ein an der Ostseite im Renais- sancestil gestalteter Erker mit einem "1611" als Entstehungs- jahr hindeutet. 1866 sind weitere Umbauten im neugotischen Stil vorgenommen worden, wobei Teile des Außenmauerwerks massiv ersetzt wurden und der steinerne Treppenturm, ein Söller, ein Erker sowie ein Türmchen hinzukamen.
Zum Rittergut gehört eine großzügige Parkparkanlage mit altem Baumbestand. Bemer- kenswert ist die Allee, die hinter dem Park beginnt und zum Wald der Munzeler Mark führt.
Das Rittergut geht auf einen Besitz der Grafen von Schaum- burg zurück, die ihn als Lehen ausgaben. Damit verbunden war ein Sitz in der Ritterkurie der Calenberger Landstände (Landtag) und die Befreiung von den landesherrlichen Dienstpflichten. 1743 erwarb Georg Reinhard Langwerth v. Simmern, Urahn der heutigen Eigentümer, das Rittergut.
Zum Schaumburger Besitz in Wichtringhausen gehörte das Dorfgericht (Untergericht). 1600 verpfändete Herzog Heinrich Julius dem damaligen Lehensträger des Rittergutes, Otto von Reden, das Untergericht mitsamt den damit verbundenen Einkünften und Dienst- pflichten. Zeitweilig erstreckte es sich auch auf Bantorf, Hohenbostel und Winninghausen.
In den Amtsregistern Ende des 16. Jhs. sind für Wichtringhausen sechs Halbmeier- und acht Köthnerstellen verzeichnet. (Da das Rittergut nicht dienstpflichtig war, wurde es nicht berücksichtigt.) Die Bevölkerung lebte ausschließlich von der Landwirtschaft. Neben den allgemein üblichen landesherrlichen Dienstpflichten hatten die Meier (um 1600) auch "Steinkohlen vom Buckeberge bis nach dem Calenberge" zu transportieren.
Während die Bauern der meisten umliegenden Dörfer ihr Korn in der landesherr- lichen Mühle vor Calenberg mahlen lassen mussten (Mahlzwang), konnten die Wichtringhäuser im Dorf mahlen lassen. Der Mahlzwang wur- de vom Landesherrn ausgeübt, dem auch die sich daraus ergebenen Einnahmen zufielen. 1600 verpfändete Herzog Julius die Mahlberechtigung des Untergerichtsbezirks dem Gutsbesitzer Otto von Reden. Um das Pfand besser nutzen zu können, ließ der noch im selben Jahr vor der Munzeler Mark eine Wassermühle bauen (Wassermühlenstr. 13). Da der Baugrund sandig war, mussten dazu 36 Pfähle in den Boden gerammt werden.
1618 erhielt der Gutsbesitzer Henning von Reden von Herzog Friedrich Ulrich die Kon- zession zum Bau einer Bockwindmühle. Ob sie auch gebaut wurde, ist ungeklärt. 1752 wird Georg Reinhard Langwerth v. Sim- mern der Bau einer Holländerwindmühle genehmigt, der sie alsbald an der Minde- ner Chaussee, der heutigen Bundesstraße 65, errichten ließ. 1795 brannte sie bis auf den massiven Mühlenturm nieder und blieb
jahrelang als Ruine stehen. Um dem drohenden Entzug der Mahlkonzession zu entgehen, stimmte Friedrich Langwerth v. Simmern 1819 einem Wie- deraufbau zu. Dagegen erhob der Hannoversche Wegebaumeister Einspruch, weil sie einer ge- planten Chausseeverlegung im Wege stehen würde. Schließlich wurde die halbfertige Mühle 1824 auf Staatskosten um 70 m an die heutige Stelle verlegt und nahm 1826 den Betrieb auf. 1835 pachtete der Müllermeister Johann Heinrich Christian Weber die Mühle; seitdem betreiben Müller der Familie Weber die Mühle. 1972 ist der Mehlmahlbetrieb eingestellt worden. Seit 2000 wird die Mühle vom 1999 gegründeten Mühlen- verein Windmühle Wichtringhausen saniert.
1821 zählte Wichtringhausen 244 Einwohner, bis zur Jahrhundertwende verdoppelte sich die Anzahl auf 461 (1905), darunter waren 76 Bergleute. Durch die Folgen des Zweiten Weltkriegs stieg die Bevöl- kerungszahl sogar auf 661 (1946). Mit den Norma- lisierungen der 1950er Jahre fiel sie wieder auf 453 (1961).
Literaturhinweise:
- 800 Jahre Wichtringhausen (1188 – 1988), Teil 1 + 2 (= Mitt. Gesch. Stadt Barsinghausen, H. 1 + 2), 1988 f.
- Heinrich Welge: Hohenbostel am Deister. Das Frommesche Hausbuch des Kirchspiels Hohenbostel-Luttringhausen, Hannover 1988
- Uwe Ohainski/Jürgen Udolph: Die Ortsnamen des Landkreises Hannover und der Stadt Hannover, Bielefeld 1998, S. 481 f., 498 f.
- Baudenkmale in Niedersachsen, Band 13.1: Landkreis Hannover, bearb. v. H. Hannig, Braunschweig/Wiesbaden 1988, S. 198
- Victor Jürgen v.d. Osten: Die Rittergüter der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft, Hannover 1996, S. 127 ff.
- Werner Spieß: Die Großvogtei Calenberg, Göttingen 1933, Neudruck: Osnabrück 1975, S. 66 ff.
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